Es ist heiß draußen. Ein Sommertag, an dem sich Klärchen nicht lumpen lässt. Die Jalousien des Balkonzimmers auf der geriatrischen Station bei AMEOS in Ueckermünde sind heruntergelassen. „Aber nur wegen der starken Sonneneinstrahlung”, so Hartmut Pradt. Der Gartentherapeut öffnet die Tür zum Balkon. Ein Anblick, der die Seele streichelt. Leuchtende Farben zaubern dem Betrachter ein Lächeln ins Gesicht. Es scheint fast so, als würden die großen grünen Baumkronen auf dem Klinikgelände den Balkon umarmen.

Die Mitarbeitenden der geriatrischen Station haben die Balkonkästen bepflanzt. Sie pflegen sie und haben auch für sich einen gemütlichen Sitzplatz aus Paletten eingerichtet, freut sich der Therapeut über die Mithilfe. Hartmut Pradt ergänzt die Pflanzenvielfalt durch seine Mitbringsel aus Feld, Wald und Wiese. Die Gerüche der Schokoladenblume oder der Duft-Geranie steigen den Patienten in die Nase. „Bei geöffneten Jalousien wirkt das Balkonzimmer wie ein Wintergarten. Der Balkon erweitert den Raum optisch“, schwärmt der Mann, der sein Credo „Grün ist Leben“ als Aufdruck auf seiner Schürze trägt. Eine Kulisse also, die sein therapeutisches Angebot für die Patienten unterstützt. 

Schon immer hatte er große Freude am Lebendigen und eine Vorliebe für Wildpflanzen und Landschaftstimmungen.  Als Gartenbau-Ingenieur mit der Fachrichtung Landschaftsökologie war er zunächst im Außenbereich tätig und erstellte Umweltgutachten zum Beispiel für die Autobahnplanung. Das änderte sich nach dem Abschluss einer zweijährigen Weiterbildung „Akademischer Experte Gartentherapie“ an der Donau-Universität in Österreich. Sein Interesse galt nun immer mehr der Wirkung von Pflanzen auf unsere Innenwelt. Kein Wunder, dass ihm von einer Pflegedienstleiterin bei einem Vortrag der Name „Seelengärtner“ verpasst wurde.  Als Gartenbau-Ingenieur erstellt er heute keine Autobahngutachten mehr, sondern beschäftigt sich mit der Kraft der Pflanze. Hat er die Gartentherapie von 2009 bis 2020 nebenberuflich noch in verschie-
denen Seniorenheimen angeboten, so arbeitet er seit Juli vergangenen Jahres sechs Stunden in der Woche im AMEOS Therapiezentrum.  Die Gartentherapie ist ein ergänzendes Angebot für Patienten der Geriatrie und der Gerontopsychiatrie.

Hartmut Pradt versucht, auf diesen beiden Stationen erfahrbar zu machen oder besser spüren zu lassen, wie gut den Patienten eine naturbasierte Atmosphäre tut. Es hilft ihnen, wenn sie sich Zeit für genaueres und achtsames Zuwenden nehmen, um die Natur intensiver zu genießen. Jahreszeitliche Stimmungen lösen bei ihnen oft ein Gefühl der Vertrautheit aus. „Manchmal gelingt es bei dem einen oder anderen Patienten sogar, seine Naturverbundenheit und -zugehörigkeit wiederzuentdecken“, hat der Therapeut beobachtet. „In einem Jahr habe ich diese Perspektive über 260 Patienten in ein- bis fünfmaligen Gruppen- und Einzelsettings anbieten können.“ 

Wie gut dieses Angebot den Patienten im Rahmen eines ganzheitlichen Therapieansatzes tut, kann auch Psychologin (B. Sc.) Anica Koslowski von der gerontopsychiatrischen Station bestätigen: „Die Patienten erinnern sich an früher. Die Sinne werden angesprochen. Wenn unsere Therapie-Angebote einmal nicht wie geplant stattfinden können, beobachten wir zeitnah eine verstärkte Verunsicherung und Unruhe bei unseren Patienten.“ Positive Verstärkung konnte auch die Masseurin und medizinische Bademeisterin Ines Krause feststellen: So lassen sich die Gangtherapie und die Gartentherapie in der Altersmedizin beispielsweise perfekt verbinden. Ein Trainingsgang in der Natur vereint beides. 

Pflanzen spenden Trost in einer schweren Zeit, in der sich die Patienten befinden. „Doch genauso, wie die Pflanzen mal den Kopf hängen lassen, können sie auch wieder austreiben und erblühen“, erklärt Hartmut Pradt, dessen Stunden auch gern mal mit einem Stück auf der Violine beginnen. 

Text/ Foto: U. Bilaczewski

Der Beitrag Gartentherapie: Von der Kraft der Pflanze erschien zuerst auf Uecker Randow.

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