Ein Schlaganfall kann das Leben völlig verändern. Das weiß Harald Viestenz nur zu gut aus eigener Erfahrung zu berichten. Am 27. Januar vor 10 Jahren war der Tag, der das Leben seiner Frau und somit auch seines schlagartig veränderte. Ein guter Anlass für Harald Viestenz auf diesen Moment und die Zeit danach zurückzublicken. Seit vielen Jahren engagiert er sich aktiv in der Torgelower Selbsthilfegruppe für Schlaganfallpatienten und Angehörige.

„Diesen 27. Januar 2012 werde ich wohl nie vergessen können. Allein schon deswegen nicht, weil die manifestierten Behinderungen meiner Frau Simone immer zwischen uns stehen und uns ständig an das Geschehene erinnern. Der Morgen begann wie so viele mit einem Abschiedsküsschen in den Arbeitstag und endete wie noch kein anderer zuvor, nämlich auf der Intensivstation des Universitätsklinikum Greifswald. Ein zerebrales Aneurysma verursachte bei meiner Frau eine Hirnmassenblutung und in der Folge einen schweren Schlaganfall. Der herbeigerufene Notarzt, das Notfallteam im Krankenhaus Ueckermünde und die Spezialisten der Neurochirurgie in Greifswald haben alles gegeben, um ihr Leben zu retten.

Tage der Angst folgten, denn niemand konnte voraussagen, in welchen Zustand Simone nach dem künstlichen Koma wieder zurückkommt. Beziehungsweise konnte auch keiner sagen, ob sie überhaupt wieder aufwacht. Eine Ausnahmesituation für uns alle, die massiv an unseren Kräften zehrte. Bei mir artete das alles in eine extreme Dünnheutigkeit aus, mit der ich durch nicht erfüllte Erwartungen, die ich an Familienmitglieder und Freunde hatte, auch den einen oder anderen massiv verletzte. Was ich heute durchaus bedauere, aber zu dem Zeitpunkt nicht in der Lage war zu erkennen. Meine Frau kämpfte mit dem Tod und andere um mich herum nahmen zwar Kenntnis davon, taten in meinen Augen aber so, als würde sie das nichts angehen. So sah ich das jedenfalls aus meiner Perspektive.

Es war im nachhinein eine Fehleinschätzung, die ich später korrigiert habe. Auch der Gedanke, wenn Simone das nicht überlebt, will ich auch nicht mehr leben, kommt mir jetzt, viele Jahre später, sehr surreal vor. Die anschließende sechsmonatige stationäre Reha, in der meine Frau auf das neue Leben vorbereitet wurde, stresste mich schon sehr. Ich pendelte ständig zwischen unserem Zuhause, der Arbeit und der Rehaklinik. Eine Aufgabe, die ich von ganzem Herzen gern erledigte, die mich aber so manches Mal an die Grenze meiner Leistungsfähigkeit brachte.

Aufgeben war aber keine Option, denn dort in der Klinik kämpfte meine Ehefrau für ihr/unser neues Leben und da draußen hielt ich ihr den Rücken frei. Das hatte ich ihr im künstlichen Koma versprochen! Heute ist meine Frau nicht mehr der Mensch, den ich einmal liebte, den ich zum Traualtar führte und der, der mir einen prächtigen Sohn schenkte. Nein, sie ist eine Andere, die aber nicht weniger liebenswert ist und die ich über alle Maßen bewundere. Die Tatsache, sich nach diesen Strapazen wieder ins Leben, und dann noch in ein völlig anderes als es vormals war, zurückzukämpfen, hat meine allergrößte Bewunderung.

Heute, zehn Jahre danach, haben wir gefühlt das Beste aus allem gemacht und versuchen jeden Tag so zu leben, dass wir am Abend zufrieden auf ihn zurückblicken können. Wir sind gelassener und demütiger dem Leben gegenüber geworden und versuchen weiterhin, trotz aller Einschränkungen, ein erfülltes Leben zu leben.

Abschließend muss ich sagen: Es sind Menschen von uns gegangen, die man für Freunde gehalten hat und wir haben Freunde gefunden unter den Menschen, denen man vor diesem schrecklichen Ereignis kaum Beachtung geschenkt hat. Eine Erfahrung die uns/mich bestärkt, trotz aller Widrigkeiten weiterzumachen und sich dort zu engagieren wo es nötig ist.“

Harald Viestenz / Foto: ZVG

Der Beitrag Zehn Jahre danach: Was hat der Schlaganfall mit uns gemacht? erschien zuerst auf Uecker Randow.

Ein Schlaganfall kann das Leben völlig verändern. Das weiß Harald Viestenz nur zu gut aus
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